Wer zahlt fürs Dolmetschen vor Gericht?

Muss jemand, der der deutschen Sprache nicht (ausreichend) mächtig ist, vor Gericht erscheinen, und zwar egal in welcher Rolle, werden die Kosten für die Verdolmetschung – zumindest bei Strafverfahren – vom Staat übernommen. Man muss also nicht in die eigene Tasche greifen, um zu verstehen und verstanden zu werden, so wie es beispielsweise beim Standesamt der Fall ist, denn laut Gesetz besteht Anspruch auf unentgeltliche Hinzuziehung eines Dolmetschers. (Bei Zivilprozessen, beispielsweise bei einer Scheidung, sieht es anders aus, da ist der jeweilige „Kostenschuldner“ zahlungspflichtig. Genauere Erläuterungen zur Übernahme von Dolmetscherkosten durch die Staatskasse gibt es auch vom BDÜ Landesverband Bayern hier.)

Was ich allerdings erst kürzlich gelernt habe, ist, dass wir diese Kostenübernahme den Preußen (und das meine ich jetzt im historischen Sinne) zu verdanken haben:

König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen hatte 1846 in einem „allerhöchsten Erlass“ festgelegt, dass künftig die Staatskasse die Übersetzungs- und Dolmetschkosten vor Gericht zu tragen hat, und zwar inklusive Reise- und Verpflegungskosten! Das großflächige Reich hatte zwar Deutsch als offizielle Amtssprache, aber das war in weiten Teilen des Landes nicht die Hauptsprache. Beispielsweise wurde in Posen von der großen Mehrheit der Bevölkerung Polnisch gesprochen. Die Vertreter der Obrigkeit hingegen sprachen meist nur Deutsch, was zu ziemlichen Kosten – oder im Falle einer Verhandlung ohne Dolmetscher u.U. zu Falschurteilen – für die Menschen führen konnte, die sich vor Gericht einfinden mussten.

Mit seinem Erlass setzte Friedrich Wilhelm dem ein Ende – zumindest für die eigenen, preußischen Staatsbürger.
Diese Einschränkung gilt ja heute vor deutschen Gerichten nicht. Im Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 27.08.2033, 2 BvR 2032/01 heißt es dazu:

1. Jeder Ausländer hat in Verfahren vor Gerichten der Bundesrepublik dieselben
prozessualen Grundrechte sowie denselben Anspruch auf ein rechtsstaatliches
Verfahren wie jeder Deutsche. 2. Einem Beschuldigten, der die Gerichtssprache
nicht versteht oder sich nicht in ihr ausdrücken kann, dürfen keine Nachteile im
Vergleich zu einem dieser Sprache kundigen Beschuldigten entstehen.

Wer mehr darüber erfahren möchte und den Wortlaut des Erlasses sowie weitere historische Hintergründe zu dieser Sache lesen möchte, wird auf uepo.de fündig.

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