Übung macht den Meister

Ich bin heute über ein Video der SCIC (Generaldirektion Dolmetschen der Europäischen Kommission) gestolpert, das ich hier gerne teilen möchte.
Es geht darum, dass auch “fertige” Dolmetscher, also mit Abschluss und genügend Arbeit, nicht aufhören sollten zu üben. Genau wie professionelle Musiker, die ein Leben lang üben und sogar Unterricht nehmen, sollten auch professionelle Dolmetscher regelmäßig üben, auch mit Kollegen, um sich und damit ihre Dolmetschleistung (quasi die Aufführung) stetig weiter zu verbessern.

Ich habe das gleich mal zum Anlass genommen, und das Video zur Übung selbst spontan simultan gedolmetscht. Ich habe gleichzeitig mein Spracherkennungsprogramm laufen lassen und quasi mitgeschrieben. Hier ist das Ergebnis, das ich nur wenig angepasst habe (der Drache ist v.a. bei der Geschwindigkeit nicht immer korrekt mitgekommen…) – was meine Schüler wohl dazu sagen würden?

Sollten Dolmetscher wie Musiker auch üben?

Wenn Dolmetscher zur Schule gehen, dann sind sie wie ein Musiker, der auch gerade erst gelernt hat sein Instrument zu spielen. Man sagt ihnen, dass sie üben sollen, und das tun sie auch, sehr viel. Wenn Schüler das tun, machen sie das stundenlang, und das Gleiche gilt natürlich auch, wenn man seinen Abschluss gemacht hat, und man möchte irgend einen Aufnahme-Test, zum Beispiel bei den europäischen Institutionen, bestehen. Aber wenn man diesen Test erst einmal bestanden hat oder man hat eine Auswahl an regulären Kunden, dann übt man nicht unbedingt weiterhin. Man fragt auch nicht seine Kollegen ob man mit ihnen üben kann.

Im Gegensatz dazu, wenn man Musiker fragt, selbst wenn sie in einem großen Orchester spielen, dann sagen sie, dass sie jeden Tag üben und sie nehmen auch weiterhin Unterricht.

Ich vergleiche Dolmetscher gerne mit Musikern, weil es sehr ähnlich ist wie man besser wird und wie man lernt. Und ich denke, damit ein Dolmetscher besser wird bei der Hauptsache beim Dolmetschen, dass man die Nachricht wirklich rüberbringt wie man das beim Dolmetschen tut, das ist sehr ähnlich zu dem wie wir besser werden, wenn wir zum Beispiel besser Geige spielen lernen. Das Verständnis der Nachricht ist sozusagen das Instrument, wie zum Beispiel eben die Geige für einen Musiker.

Ein Dolmetscher kann sich also hinsetzen und sich entscheiden, was er machen möchte als Übung, dass er sehr intensiv mit einer bestimmten Übung arbeitet und vielleicht einen Kollegen fragt, dass der zuhört und Feedback gibt, das wäre natürlich sehr interessant, um zu sehen wie man sich verbessern kann.

Wie kann man als Dolmetscher Schwachstellen erkennen?

Wenn man sich nur ein kleines bisschen aufnimmt, und wenn man bei der EU arbeitet, ist es natürlich sehr leicht, denn das Meiste wird aufgenommen, man kann also ganz leicht sich selbst zuhören. Es muss auch nicht sehr lange sein. Wir sind schließlich Profis, wir hören sehr viel Verdolmetschung. Und wenn man sich einfach nur ein kleines bisschen zuhört, kann man auch sehr schnell feststellen, in welchen Bereichen wir uns etwas verbessern könnten oder wollten. Das heißt natürlich nicht, dass wir schlecht sind, sondern einfach, dass wir noch besser werden können, wenn wir Bereiche herausfinden können, in denen wir uns verbessern können.

Wie können Dolmetscher schlechte Gewohnheiten vermeiden?

Es ist auch sehr einfach, sich schlechte Gewohnheiten anzueignen, wenn man sich nicht selbst zuhört. Und selbst wenn man die Aussage sehr gut rüberbringt als Dolmetscher, gibt es vielleicht sehr viele Neustarts, die man macht, oder irgendeine seltsame Betonung, die dazu führt, dass man mitten im Satz eine Pause macht anstatt da wo der Satz aufhört, und das sind Dinge, derer wir uns nicht bewusst sind, wenn wir uns nicht zuhören. Und es hat vielleicht keinen Einfluss auf die Nachricht – gut, es kann natürlich sein, dass der Zuhörer irritiert ist davon wie die Nachricht rübergebracht wird – aber selbst wenn das nicht der Fall ist, ist es trotzdem keine Leistung, die sich so anfühlt als würde der Sprecher selbst reden.

Routine vs. Exzellenz

Ein Dolmetscher, der gut genug ist, einer, der sehr viel Routine hat, ist jemand, der auch für die europäischen Institutionen arbeiten kann, denn es ist sehr herausfordernd hier zu arbeiten, und er hat genügend Wissen über das Dolmetschen und über die Aufgabe, die er hat, dass er es jeden Tag in der Kabine tun kann und eine Dolmetscherroutine hat. Ein Experte, ein adaptiver Experte ist dagegen jemand, der wie ein Künstler ist. Er kann jedes Gefühl rüber bringen, er kann dem Zuhörer das Gefühl geben, dass er wirklich die Nachricht so versteht als hätte er sie aus erster Hand erhalten, als wäre der Dolmetscher tatsächlich der Sprecher, und nicht nur ein Werkzeug dazwischen.

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